Östliche Praktiken kamen in den 90er Jahren vermehrt in den Westen. Eine davon war Falun Gong, eine von den chinesischen Behörden als Sekte verbotene Bewegung. Obschon es etwas ruhiger um diese Bewegung geworden ist, zeigt der Text doch auf, dass die Kritik an der Bewegung nicht unbegründet ist. Falun Gong ist nach wie vor verboten und ist auch im Westen aktiv.
In den letzten Jahren ist Qi-Gong auch bei uns bekannt geworden und hat sich rasch ausgebreitet. Es ist dem T/’ai Chi nahe verwandt und gilt als therapeutisch wirksames Körper- und Bewegungstraining. Nach chinesischem Verständnis ist es die Kunst, durch Atmung, Konzentration und Bewegung die kosmische Lebenskraft /„Qi“ zu lenken. Es ist eine der ältesten chinesischen Meditationsmethoden, aus der sich im Laufe der Zeit verschiedene Formen entwickelt haben. Das Ziel aller Formen ist seelische Ausgeglichenheit.
Weit herum bekanntgeworden sind die sogenannten Qi-Gong-Kugeln. Das ist ein Paar völlig gleicher Kugeln aus Metall oder Stein, kaum grösser als Ping-Pong-Bälle, welche die Prinzipien von Yin und Yang repräsentieren sollen. Wenn man sie in der Hand kreisen lässt, sollen sie die Energie des Qi freisetzen und Heilwirkungen auf innere Organe entfalten.
Neben dieser angenommenen Heilwirkung gibt es auch Vorstellungen, dass Qi-Gong- Meister sogar in der Lage sein sollen, gebündelte Qi-Energie /– zu Heil- oder auch Schadenszwecken /– über jede Entfernung hinweg auf andere zu übertragen. Über die Heilwirkungen des Qi-Gong gibt es allerdings keine Untersuchungen mit empirisch nachweisbaren Fakten.
Im Rahmen der Beschäftigung mit alternativen und östlichen Methoden glauben aber mehr und mehr Menschen, dass diese Methoden tatsächlich eine Wirksamkeit entfalten.
Selbstverständlich hat auch Qi-Gong Auswirkungen auf den Menschen, der es praktiziert, und sei es auch nur, dass er seinen Körper besser wahrnimmt und spürt.
Vorstellungen von überhöhter Gläubigkeit an die Wirkung weisen allerdings auch Verantwortliche Qi-Gong-Meister zurück. So äussert sich Lin Zhong Peng, Direktor des Forschungsinstituts für chinesisches Qi-Gong in Beijing, in einem Interview in der Zeitschrift DAO dazu und nennt dies eine Fehlentwicklung:
/„... dass von Qi-Gong-Lehrern und /–Therapeuten behauptet wird, dass Qi über grosse Distanz hinweg übertragen werden kann. Es stimmt, dass das Qi im Sinne von Wai Qi (äusseres Qi) nach jahrelanger Arbeit mit Qi-Gong sowie mit starkem Yi (Bewusstheit, Konzentration) und guter Qi-Führung von uns abgegeben werden kann... Aber zu behaupten, dass das von uns abgegebene Qi noch über hunderte Kilometer entfernt wirkt, indem es das Qi der Schüler oder des Patienten stärkt oder die Meridiane öffnet, ist doch absurd.“
Diese Absurdität scheint allerdings gerade im Westen auf fruchtbaren Boden zu fallen. Hier, wo die Wirkkraft der eigenen religiösen Tradition oft nicht mehr wahrgenommen werden kann, lechzen Menschen direkt nach kosmisch und über alle Distanzen hinweg übertragene Kraft /– auch wenn/’s nur dazu dient, dass der suchende Mensch dann nicht die harte Arbeit tun muss, seine eigenen Kräfte zu entfalten. Der Guru oder Meister tut das ja.
Eine solche Situation ist natürlich auch für einen Qi-Gong-Meister verlockend. Jeder Mensch, der glaubt und empfindet, dass der Meister zu so etwas imstande ist, ist ein potentieller Anhänger und Anbeter. In der Qi-Gong Tradition hat dies scheinbar der Meister Li Hongzhi entdeckt und seine Methode als die wahre und einzige gegenüber allen andern Qi-Gong- Wegen hingestellt und Falun-Gong genannt.
Prof. Lin Zhong Peng, darüber befragt, was er denn von Falun Gong halte, antwortet in dem Interview folgendermassen:
/„Fachlich gesehen, hat Falun Gong dieselbe Qualität wie andere Qi-Gong-Arten. Allerdings behaupten in China die offiziellen Vertreter des Falun Gong, dass ihr Qi-Gong das einzig richtige sei. Sie erlauben den Übenden von Falun Gong nicht, anderes Qi- Gong zu praktizieren und empfehlen ihnen, ausser dem Buch ihres Meisters Li Hongzhi alle andern Bücher /– nicht nur die über Qi-Gong /– zu vernichten. Ferner sollen sie Falun Gong als Geheimnis für sich behalten. Sie dürfen mit Familienangehörigen, die Falun Gong nicht annehmen, nicht darüber sprechen. Das erinnert mich an die Bücherverbrennung durch den ersten Kaiser Chinas in der Qin-Dynastie und an Praktiken von Sekten. Wie können seriöse Menschen mit gesundem Menschenverstand so etwas Unglaubliches behaupten und von ihren Anhängern verlangen? Ich empfinde es als menschenunwürdig, dass sie ihren Anhängern nicht die geringste geistige Klarheit und Entscheidungsfreiheit zugestehen.“
Dass die Sektentendenz tatsächlich vorhanden ist, zeigt die Entwicklung in der Schweiz deutlich auf. Schon sind Anfragen zu verzeichnen, um welche neue Sekte es sich denn hier handle und aufmerksame Menschen, welchen es um die Qi-Gong-Praxis ging, haben sich von der Bewegung distanziert. Trotzdem breitet sich scheinbar die Bewegung in der Schweiz aus. Unter der Leiterin Qi Bao Ping (Dr. med.) Genf, wird nun auch ein Netz in der Deutschschweiz aufgebaut. (Adressen siehe unten).
Dass die Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt ein Blick ins Originalwerk von Meister Li Hongzhi, /„Zhuan Falun“:
/„Ich habe bemerkt, dass das Falun vieler alter Anhänger deformiert ist. Warum? Weil du mit Dingen anderer Schulen praktiziert und Dinge anderer angenommen hast.“ (S. 42 /– 43)
... /„Wenn du unüberlegt Dinge anderer, die andere Informationen tragen, annimmst und sie in unseren Kultivierungsweg mischst, zerstörst du dadurch die Dinge unserer Schule.“ (S. 43)
... /„Ich muss noch eins betonen: Es gibt keinen zweiten, der zur Zeit wie ich den echten Kultivierungsweg auf der hohen Ebene verbreiten würde.“ (S. 44)
... /„Ich öffne dein Himmelsauge direkt auf der Stufe des Weisheitsauges.“ (S. 49)
Ausschliesslichkeit und totale Zentrierung auf den Meister werden verlangt, sowohl für den Weg des eigenen Praktizierens, wie auch für die Anwendung:
/„Wir bringen dir hier nicht bei, wie man einen Kranken heilt. Wir führen dich auf einen grossen Weg, einen richtigen Weg, und zwar nach oben. Deshalb habe ich in meinem Kurs betont, dass ein Schüler des Falun-Kultivierungsweges keinen Kranken heilen darf. Wenn du einen Kranken behandelst, gehörst du nicht mehr zu den Schülern des Falun- Kultivierungsweges. Weil wir dich auf den richtigen Weg bringen, müssen wir bei der Kultivierung des Shijianfa (des Weltlichen Gebots) ununterbrochen deinen Körper reinigen, reinigen und weiterreinigen, bis dein Körper durch die Substanz mit hoher Energie voll und ganz umgewandelt worden ist.“ (S. 79 - 80)
Solche Gedanken kennen wir zur Genüge. Idealisierende, positivistische Ideologien feiern scheinbar Urständ. Wenn solche Botschaften ankommen, braucht es keinen mehr zu wundern, dass Scientology immer noch Anhänger findet. Und nun auch noch solche Machenschaften im Bereich der Suche im esoterisch-alternativen Bereich.
Es muss deutlich ausgesprochen werden: Wer sucht denn eine einengende und abhängigmachende Lehre, wenn er oder sie beginnt, sich mit Qi-Gong zu befassen? Und wenn man es allenfalls noch merkt, hat man ja doch schon so viele gute Erfahrungen gemacht ,,, na ja, so schlimm wird/’s doch nicht sein. Li Hongzhi aber macht deutlich, ihm geht es nicht um ein Praktizieren des Qi-Gong. Er will auf diesem Weg die spirituell-geistige Entwicklung des Menschen vorantreiben. Mit dieser Zielrichtung weiche Falun Gong von der heute üblichen Qi-Gong-Praxis ab und korrigiere den weitverbreiteten Missstand, dass Qi- Gong nur als eine Art Gymnastik missverstanden und lediglich im Hinblick auf eine Gesundung des Organismus betrieben werde.
Wer solche Ansprüche hat und Menschen verführt, hat keinen Anspruch darauf Meister genannt zu werden. Vielmehr ist er in die Kategorie der Scharlatane einzuordnen. Vor solchen Menschen muss, bei aller Wertschätzung positiver Aspekte ihrer Arbeit, gewarnt werden. Deshalb seien hier auch die zur Auseinandersetzung wichtigen Informationen erwähnt.
Wer sich mit der Lehre des Falun Gong auseinandersetzen will, findet:
- Hongzhi Li, /„Zhuan Falun“ (ISBN 3-9804737-3-2), deutsche Version erschienen bei: Ost- West-Verlag, Vogelreichsweg 38, D /– 31812 Bad Pyrmont, Tel. 05281/17656 (Fax 961008), eMail: ost-west-verlag@t-online.de
- Arndt Ulrich, /„Der geistige Pfad des Falun Gong“, eine unkritische, positive Berichterstattung des Autors über seine Begegnung mit Falun Gong in China, in /„esotera“ 8/97.
- Interview mit Lin Zhong Peng, in der Zeitschrift DAO, 4/98
Kontaktstellen von Falun Gong in der Schweiz:
Sekretariat: Gillard Claudy 22, quai du Cheval-Blanc 1227 Genève-Acacias
T+F 022 / 342 40 03
Genève: Chablais Gisèle ch. de Planta, PF 25 1223 Cologny
T 022 / 736 96 85
Zürich: Kleinert Richard Widmerstr. 9 8810 Horgen
T 01 / 726 01 50
Bosshart Caroline Im Winkel 32 5465 Mellikon
T 056 / 243 13 82
Biel: Bühler Jean Marc 11, rue de Soleure 2740 Moutier
T 032 / 493 27 34
Basel: Chu David Parkallee 12 4123 Allschwil
061 / 421 23 45
verfasst und zusammengestellt:
Pfr. Martin Scheidegger, ökumenische Beratungsstelle /„Religiöse Sondergruppen & Sekten“,
Luzern
Luzern, 14. August 1998